Sonntag, 2. September 2012

Respekt

Auf der Homepage von Spiegel-online wurde in den letzten Tagen ein Artikel über den Alltag in der Luftfahrtbranche veröffentlicht. Tenor des Beitrages waren die sich immer weiter verschlechternden Umgangsformen ggü. des Personals. Als Beispiel wurde dabei anschaulich beschrieben, wie eine Stewardess einem Kind etwas zu trinken bringt. Das Kind bedankt sich artig, worauf hin die Mutter interveniert, dass sich das Kind nicht zu bedanken brauche, da dies ja eine Dienstleistung sei.

Abgesehen davon, dass die Stewardess von der Passagierin respektlos behandelt wurde, ebenfalls wurde dem Kind vermittelt, dass Dienstleistungen sind selbstverständlich sind und man sich dafür grds. nicht bedanken müsse. In der Konsequenz heißt dies, Höflichkeit und Respekt ist (bei einer Dienstleistung) unnötig. Wird das Kind nach dieser Rüge sich zukünftig bei "Dienstleistern", wie bspw. bei einer Bedienung, einem Zimmermädchen oder einer Reinigungskraft bedanken? Wohl eher kaum. Viel eher wird durch ein solches Verhalten die Separierung in eine 2-Klassengesellschaft weiter gefördert.

Das Wort Respekt stammt vom lateinischen Wort "respectus" ab und bezeichnet (lt. Wikipedia) "eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung […]" ggü. einer anderen Person. Die Wertschätzung kann gleichfalls ggü. einer Organisation oder einer Institution entgegengebracht werden.

In vielen Kampfkünsten wird in den sogenannten "Dôjô-kun", im Shôtôkan-ryû auch in den "Niju-kun" Werte zitiert, die den Kampfkünstler zu einem "besseren Menschen" machen sollen. Besonders im Karate wird ein Satz besonders häufig zitiert:

"Karate beginnt und endet mit Respekt."

Entsprechend dieses Satzes und der Orientierung an japanischen Werten, werden im Dôjô diese und andere Werte gelehrt. Dies drückt sich bspw. bei der Verbeugung zum Shomen, zum Sensei oder auch zum Partner aus.

Doch was ist mit dem Verhalten außerhalb des Dôjôs? Was sieht es mit dem Umgang mit den Mitmenschen aus? Mit den Kollegen, Nachbarn oder anderen Forenteilnehmern?

Manchmal scheint es so zu sein, dass während im Dôjô die Werte heuchlerisch hochgehalten werden, dieselbigen außerhalb geflissentlich ignoriert werden. Man zeigt auf andere und deren Fehlverhalten und neigt dazu, das eigene, subjektiv richtige Verhalten als Maßstab zu nehmen. Immer wieder kann man in Foren oder auch in sozialen Netzwerken erleben, wie Personen andere Menschen auf vielfältige Weise denunziert und beleidigt werden.

Kennt man die Hintergründe für das Verhalten des Angegriffenen? Wie ist die Person aufgewachsen, welche Lebensumstände prägten sein Leben und wie ist die aktuelle Lebenssituation? Lebt die Person in Scheidung? Hat die Person Schulden? Welchen Trainer/Lehrer hat mein Gegenüber?

Diese und noch viel mehr Fragen werden nicht gestellt. Vielmehr wird oftmals das eigene Leben (i.S. der gemachten Erfahrungen) auf andere übertragen. Ganz im Sinne von; "Meine Wahrheit muss auch Deine Wahrheit sein." Aus philosophischen Gesichtspunkten gibt es jedoch viele Wahrheiten und nicht nur eine.

In einigen der vielzähligen Karatebücher kann man lesen, dass Karate, nicht nur im Dôjô sondern auch außerhalb stattfindet. Wenn dies so ist, so müssen die Werte, die im Dôjô (z.T. rezitiert werden) nicht nur im Dôjô, sondern gleichfalls auch im alltäglichen Leben gelten.

Auch wenn man es nicht immer schafft, sich respektvoll zu verhalten, so sollte das Bestreben danach immer vorhanden sein. Wie heißt doch die Aufforderung in den Dôjô-kun? Makoto no michi! Sich stets um Wahrhaftigkeit bemühen. Bedeutet dies nicht auch, dass man sich jeden Tag neu in diesen Werten übt?


 

Quelle:

http://www.spiegel.de/reise/aktuell/lufthansa-streik-der-harte-alltag-von-flugbegleitern-a-852521.html