Dienstag, 8. Februar 2011

Die Mär von der Messerabwehr

Der wichtigste Sinn und Zweck einer Kampfkunst sollte die Selbstverteidigung sein. Auch heute ist dies noch immer einer der Hauptgründe warum Menschen sich mit einer Kampfkunst befassen bzw. einen Kampfsport erlernen möchten.

Im Zuge dessen wird je nach Stilrichtung irgendwann (mal früher mal später) Abwehrtechniken gegen bewaffnete Angreifer geübt. Interessanterweise werden bei diesen "Übungen" meist vier Standard-Angriffe, gleichzeitig aber eine Vielzahl von möglichen Abwehrvarianten gezeigt. Fast alle Abwehrtechniken, die ich bis heute sehen oder gar "üben" durfte gehören in die Kategorie "schöner sterben", da so gut wie keine der gezeigten Techniken in der Realität funktioniert oder gar funktionieren kann.

Die Gefährlichkeit des Messers als Waffe wird schlicht und ergreifend unterschätzt. Häufig wird bei Abwehrtechniken von Stich-Angriffen ausgegangen, die Schnitt-Angriffe oder die Kombination aus beiden komplett übersehen. Das eigene Verletzungsrisiko wird unterschätzt, das Können hingegen (in Bezug auf die Abwehrfähigkeit), gnadenlos überschätzt.

An dieser Stelle sei beispielhaft folgende Messerabwehrtechnik zu betrachten:



In diesem Video greift Tori Uke mit einem senkrechten Stich von oben an. Uke nimmt den angreifenden Arm in einer Kreisbewegung auf, vollführt ein schönes Tänzchen bevor Tor bereitwillig durch die Gegend fällt! Diese Abwehr wird in vielen Dôjôs als realistische Selbstverteidigung gelehrt. Dabei wird vergessen, dass a) die wenigsten Angreifer die ein Messer haben, tatsächlich so angreifen würden und b) dem Verteidiger soviel Zeit lassen würden, um den Arm zu greifen, 3-4 Schritte machen zu lassen um sich dann überwältigen zu lassen.

Es ist doch schon auffällig, wie kooperativ Tori (also der Angreifer) sich ggü. Uke verhält. Ein realistischer Angriff erfolgt i.d.R. nicht aus einer so großen Distanz! Im schlimmsten Fall erfolgt der Angriff aus der "Intim-Distanz" und der Angreifer zückt sein bis dahin verborgenes Messer und sticht bzw. schneidet Uke.

Ebenfalls in die Kategorie "schöner Sterben" gehören die folgenden Videos:



Auch hier stellt sich Tori für Uke hin. Uke hat keine Probleme den angreifenden Arm zu ergreifen und einen Hebel anzusetzen.

Bei folgenden Techniken werden vorsätzlich gefährliche Abwehrtechniken gezeigt, Techniken die das eigene Leben hochgradig gefährden! Bitte achten Sie darauf, wie die Klinge nach einem potentiellen Abwehrversuch direkt vor den Körper vorbeigeführt wird, ohne dass Uke Tori tatsächlich unter Kontrolle hat! Überlegen Sie einmal, ob die Frau sich gegen einen Angriff des Mannes mit solchen Techniken erwehren könnte! Das erscheint doch sehr, sehr zweifelhaft.



Marc "animal" Mac Young zeigt in einem Video, wie gefährlich ein Messerangriff ist und wie Messerangriffe aussehen könnten.



Betrachtet man diesen Video-Clip (der erst ab 18 freigegeben ist) und wird sich bewusst, wie ein korrekter Angriff eines Angreifers aussehen kann, dann sollte klar werden, dass eine Messerabwehr, so wie sie häufig geübt wird, in das Land der Märchen gehört. 


Es bleibt somit die immer häufig gestellte Frage, warum (vorsätzlich?) solche ineffiziente Techniken geübt werden!?